Seinen Betrieb nimmt der Münchener Verein bereits am 1. April 1922 auf, knapp drei Wochen vor der offiziellen Gründung. Hierzu erhält die Gesellschaft eigens die Erlaubnis der zuständigen Aufsichtsbehörde. Untergebracht ist sie in den Räumen der Handwerkskammer von Oberbayern in der Damenstiftstraße der Münchner Altstadt. Ihre Mitgliederzahlen wachsen von Anfang an rasant. So sind zum Ende des Gründungsmonats schon gut 800 Versicherungswillige beigetreten. Zum Ende des Jahres 1923 hat sich ihre Mitgliederzahl verzehnfacht.
Von der Inflation zur Hyperinflation
Dabei hat der Münchener Verein gleich zum Start mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die zunehmende Inflation nach dem Ersten Weltkrieg mündet 1923 in eine Hyperinflation. Nicht nur die Kosten für den Geschäftsbetrieb des Versicherers steigen stetig. Vor allem die Beiträge und Leistungen müssen laufend den ständigen Geldentwertungen angepasst werden. Wenn die Beiträge bei der Gesellschaft eingehen, ist ihr Wert schon längst wieder gesunken. Die Versicherten erwarten aber Leistungen auf dem Niveau der gestiegenen Preise und Kosten.

Erfolg durch Effizienzsteigerung
Auf diese Herausforderungen reagiert der Münchener Verein mit einer sehr wirkungsvollen Strategie: Leistungsansprüche werden so rasch wie möglich reguliert, alle anfallenden Arbeiten mit höchster Effizienz erledigt. Dieses Vorgehen zahlt sich aus – die Folgen der Inflation treffen die Gesellschaft längst nicht so stark wie andere Unternehmen. Nach der Währungsreform kann der Versicherer in der Goldmark-Eröffnungsbilanz sogar Reserven in Höhe von 32.000 Mark ausweisen.
Konkurrenz mit aggressiven Methoden
Doch kaum ist die Inflation überstanden, tauchen andere Widrigkeiten auf. Denn die gerade errungene finanzielle Stabilität hat noch andere Auswirkungen: Die Währungsreform verleiht dem Wettbewerb um Kunden einen enormen Schub. Zahlreiche neue Krankenkassen drängen auf den Markt. Mit teils aggressiven Methoden werben sie um neue Mitglieder. Manche scheuen sich auch nicht, Kunden von schon bestehenden Verträgen abzuwerben.
Berufsständische Organisationen – treue Mitglieder
Doch allem Wettbewerb zum Trotz kann sich der Münchener Verein behaupten. Ein Grund hierfür sind seine Wurzeln in den berufsständischen Organisationen. Von Anfang an sind es hauptsächlich die Innungen und gewerblichen Vereinigungen, die neue Mitglieder werben dürfen. Kunden, die Krankenversicherungen bei berufsständisch orientierten Anbietern abschließen, erweisen sich als besonders treu. Hier sind sie Mitglieder einer Gemeinschaft, die viel mehr bietet als bloße Absicherung und sich für die Interessen der Berufsgruppen einsetzt, die sie vertritt.

Ein überzeugendes Leistungsangebot trifft auf großen Bedarf
Das Entscheidende ist jedoch: Der Versicherungsschutz der Gesellschaft ist auf die besonderen Bedürfnisse von Handwerkern und Gewerbetreibenden ausgerichtet. Vor allem aber bietet der Münchener Verein von Anfang an einen äußerst umfangreichen Leistungskatalog. Zu festgelegten Sätzen werden unter anderem die folgenden Leistungen erbracht bzw. die Kosten dafür erstattet:
- Ärztliche Behandlungen
- Medikamente
- Tägliches Krankengeld
- Zahnbehandlung und künstlicher Zahnersatz
- Zuschuss zu Operationskosten
- Sterbegeld
- Kleine HilfsmittelBeispiele für Hilfsmittel: Hörgeräte, Sprechgeräte, Perücken, Prothesen, Sauerstoffkonzentrator
- Beförderung in das Krankenhaus
- Wochenhilfe
- Ärztliche Wegegebühren
Mit diesem Angebot kann der Münchener Verein seinen Kunden eine Absicherung bieten, die ihren individuellen Bedarf optimal abdeckt. Denn Bedarf an Absicherung ist reichlich vorhanden, wie die steigenden Mitgliederzahlen zeigen. Immerhin erübrigen sie jeden Monat das Geld für die Beiträge, trotz Inflation und aller damit verbundenen Nöte. Doch noch ein weiterer Grund bedingt die steigenden Kundenzahlen: Ab 1924 werden für die Mitgliederwerbung nach und nach auch professionelle Vermittler eingesetzt. Das lässt die Zahl der Vertragsabschlüsse noch einmal sprunghaft ansteigen. Ende 1924 hat der Münchener Verein bereits 33.000 Mitglieder – gut viermal so viel wie ein Jahr zuvor.