In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg ist die Situation für viele Menschen alles andere als rosig. Veteranen leiden oft dauerhaft an Kriegsverletzungen oder psychischen Traumata. Doch auch der Zivilbevölkerung machen die gesundheitlichen Folgen jahrelanger Entbehrungen zu schaffen. Seit Jahren steigen die Kosten für Heilbehandlungen, und das zum Teil erheblich. Zugleich sind weite Kreise der Mittelschicht zunehmend von Verarmung betroffen. Eine flächendeckende Absicherung für Handwerker und Gewerbetreibende gibt es nicht. Die gesetzliche Sozialversicherung ist nur für abhängig Beschäftigte da, in ihr sind Arbeiter und Angestellte versichert.
Initiator und engagierter Wegbereiter: Andreas Wagner
Hier kommt ein Handwerker ins Spiel, der engagiert Abhilfe schafft: der Glasermeister Andreas Wagner. Geboren 1871 im bayerischen Schwaben, hat er sich Ende des 19. Jahrhunderts in München eine Existenz aufgebaut. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg macht Andreas Wagner sich als versierter Handwerkspolitiker einen Namen: Ab 1912 ist er Präsident des Bayerischen Handwerksbundes, aus dem später der Bayerische Gewerbebund hervorgeht. Im Jahr 1920 wird er zudem als Abgeordneter in den bayerischen Landtag gewählt.
Die Krankenkasse für den Bayerischen Gewerbebund
Dieses umtriebige Multitalent bringt den Stein ins Rollen. Als Präsident des Bayerischen Gewerbebundes dringt Andreas Wagner 1921 auf die „Errichtung einer eigenen Krankenkasse für das bayerische Handwerk“. Eine Umfrage unter den im Bund organisierten Körperschaften bestätigt seine Forderung: 80 Prozent der Befragten halten eine eigene Kranken- und Sterbegeldversicherung in Bayern für notwendig. Noch im selben Jahr beschließt der Bayerische Gewerbebund einstimmig, eine Krankenkasse einzurichten. Die Zielgruppe ist der bayerische gewerbliche und kaufmännische Mittelstand. Umgesetzt wird der Beschluss am 20. April 1922: Die Versicherungsanstalt des Bayerischen Gewerbebundes wird gegründet. Bei der Wahl ihres ehrenamtlichen Vorstandsvorsitzenden entscheidet man sich für – wen wundert’s – Andreas Wagner. Dieses Amt hat er bis zu seinem Tod im Jahr 1928 inne. Bis dahin leistet er der Versicherung gute Dienste und trägt entscheidend zur erfolgreichen Entwicklung des Unternehmens bei. Dabei kommen ihm seine vielfältigen Kontakte in Handwerk, Gewerbe und Politik zugute.


Der Münchener Verein und seine ältesten Wurzeln
Die Versicherungsanstalt des Bayerischen Gewerbebundes ist Rechtsvorgänger der heutigen Münchener Verein Krankenversicherung a. G. Einzelne Wurzeln der Gesellschaft reichen allerdings noch deutlich weiter in die Vergangenheit zurück. In Bayern gab es lange vor der Gründung des Bayerischen Gewerbebundes schon eine Vielzahl an kleinen Kassen. Deren Wirkungskreis war jedoch regional beschränkt. Die Augsburger Begräbniskasse wurde beispielsweise bereits 1792 gegründet. Sie ist die älteste Versicherungseinrichtung, die im Münchener Verein aufgegangen ist.